Schlesierland, mein Heimatland wo der Rübezahl
mit seinen Zwergen, heut' noch Sagen und Märchen Spinnt!
Dort wo meine Wiege stand, da ist mein Heimatland
Dich vergeß ich nie!
Wieviele von us Älteren leben noch?
Ich war in 1928 in der Schlesischen Hauptstadt Breslau geboren. Wir waren 7 Geschwister. Erst kamen 4 Jungen und dann noch 3 Mädel. Ich war die Älste davon. Mutter war Schneiderin und Vater, wie auch soviele andere Väter, arbeitsloss. Er war von Beruf Geigen Spieler und wenn er mal spielte, öffneten alle Nachbaren ihre Fenster um ihm zuzuhören. Ich war ganz stolz als mir das meine Mutter erzählte. Meine jüngste Schwester war nur 2 Wochen alt als Vater stürzte und an Schädelbruch starb. Damals war ich knapp 4 Jahre alt und ich weis nicht'mal wie er aussah. Zu diesen Zeiten gab es keine Photo. Er war ein wunderbarer Mann, der mit uns lachte, spielte und mit uns spazieren ging. Mutter war eine wunderbare Köchin und wir alle trugen gepflikte Kleidung. Meine Lieblingsessen waren Wellwurst,Sauerkraut und Kartoffelpappe oder Heckele mit Pellkartoffeln aber auch alles Andere was sie her zauberte waren schmackhaft. Sogar heut' erkenne ich noch den Geschmack, habe aber leider keine Ahnung, wie sie es hergestellt hatte. Meine liebsten Kuchen waren Babe (Rührkuchen),Mohn und Käsekuchen. Mutter war in Mittelwalde Kreis Habelschwert an der Czechoslavischen Grenze geboren, da bekamen wir vielseitige Kost. Wir wohnten damals auf der Messergasse Nähe Ritterplatz mit seinem Denkmal Gabeljürge. Ob der heut' noch dort steht?
Nach meines Vater's tod, wurden 6 von uns in ein Kinderheim gebracht. Mutter durfte die jüngste bei sich behalten. Es gab ihr eine chance für einen neuen Anfang. Wir Kinder wurden gehegt und gepflegt und es war für uns bestimmt auch einfacher über den Verlust unseres Vaters weg zu kommen. Viele Jahre später fragte ich mal Muttel warum sie uns nie besuchte, sie sagte, es brach ihr Herz als ihr Mann so plötzlich starb und dann wurden ihre Kinder auch noch genommen. Sie könnte es nicht überwinden uns zu besuchen und ohne uns wieder zu gehen. Sie liebte us alle.
In 1933, als Hitler die Macht übernahm, bekamen alle Männer wieder Arbeit. Krankenhäuser, Autobahnen, Siedlungshäüser und Schulen wurden gebaut. Witwen mit vielen Kindern bekamen neue Wohnungen und Sozialhilfe. Auch wir bekamen eine nagel neue Wohnung und unser Keller wurde mit Kohle und Kartoffeln gefüllt. Mutter konnte uns alle vom Kindersheim abholen. Wir wohnten in Pilznitz auf der Richthofen Straße 94 und besuchten die naheliegende riesen große Schule mit den großen Scheinwerfer auf dem Dach.
Für mich war das Schönste die wiedergefundene Freiheit und ein Zusammenleben mit meinen Geschwistern. Ich war 6 Jahre alt. Die zwei jüngeren Schwestern blieben gerne bei Mutter zuhause und spielten gut miteinander. Ich schloß mich meinen Brüdern an. Für mich war die Freihaeit alles. Öfters liefen wir den weiten Weg bis zum Oderstrand. Mutter gab uns 5Pf. und ein Kissenüberzug denn wir liefen bei einer Waffel = fabrick vorbei und für 5Pf. wurde unser Kissen= überzug mit gebrochenen Waffel gefüllt. Als wir den Strand erreichten, zogen sich die Jungen aus und sprangen sofort in die Oder. Sie schwammen in die Mitte wo die vollen Kohlbargen vorbeifuhren und kletterten sogar oben'rauf bis sie vom Begleiter gesehen wurden . Er schüttelte ihnen seine Faust und rannte auf sie zu. Die Brüder lachten und sprangen wieder in's Wasser zurück. Ich muste am Ufer bleiben und auf ihre Hosen aufpassen und dafür durfte ich den Bauch mit den Waffeln füllen. Wir kletterten Baüme, spielten Ball und verbrachten wunderbare Zeiten. Die Sommer waren heiß und die Winter sehr kalt. Ich liebte jede Jahreszeit, ob Frühling, Sommer, Herbst oder Winter. Ein großer Wagen hielt vor unserem Haus an. Ein Herr stieg aus und schrie mit lauter Stimme, Nenolium und Teppiche zu verkaufen! Der Bäcker kam mit frischgeckenen semmeln, Brot und Kuchen. Man konnte dieses schon in unserer Wohnung riechen. Der Michmann kam mit Milch, käse und Butter. Mutter gab mir ein paar Pfennige und eine Milchkanne und ich durfte Buttermilch holen. Im Hinterhof rief ein Mann "Latschen und Filzschuhe"! Es gab viel zu sehen und für mich war alles interessant. Als einer nach dem Anderen Bruder die Schule verließen und den langen Weg in die Mittenstadt zu ihrer Lehre machten, manchmal sogar auf Fuß da sie ihre paar Groschen sparen wollten, sprach Mutter mit dem Älsten Bruder von einem Umzug in die Mittenstadt. Zu Feierrn, Festen oder Geburtstagen, kauften die Brüder für Mutter ihr erstes Bügeleisen, dann ein Bügelbrett. Zum Muttertag flochten wir Mädel Blumen, vom Felde gepflückt und um ihren Stuhl geflochtet. Wir freuten uns es zu machen und Muttels Augen strahlten. Ich kann mich nicht einmal erinnern, wo wir uns miteinander mal gezangt hätten. Der Älste Bruder hatte das Erlaubniß uns anderen streng in Ordnung zu halten. Die Jungen taten Mutter sehr leid den langen Weg jeden morgen in die Stadt zu machen. Als die Juden aufgefordert wurden, Deutschland zu verlassen, gab es viele leere Wohnungen. Muttel bestellte sich eine sofort. Der Tag kam, wo sie selber in die Stadt fahren kann um eine freie Wohnung zu besichtigen. Ich war überglücklich weil ich mit ihr mitfahren konnte. Unsere Tante Marie blieb bei den beiden jüngeren Schwestern. Eine lange Fahrt mit der Straßenbahn, die genau im Herzen der Stadt anhielt, und nur ein paar Schritte weiter, da standen wir vor unserer neuen Haustür'. Sie war riesen groß und sehr schwer auf zu schieben. Antonien Straße 16, zweite Etage. Die Hausmeisterin wohnte im ersten Stock und kam uns entgegen. Sie führte uns in die neue Wohnung, so riesengroß und wunderschön. Muttel erklärte mir, das wir diese Wohnung mit einer anderen Familie teilen müssen, da sie so groß ist. Wir durften als erster sagen, ob wir im Hinterhaus oder Vorderhaus wohnen möchten. Muttel überließ mich entscheiden. Ich sagte sofort, das Vorderteil. Die enge Straße war mit Katzköpfen belegt. Auf unserer Seite waren Geschäfte. Links war der Milch und Butterladen von Wutke, nächst der Fleischer von Warwas, dann eine Katholiche Kirche mit jungen Nonnen usw. Am Ende war die Promenade und eine Hozbrücke über den Stadtgraben. Auf der anderen Seite davon war unsere Schule.
Wenn wir aber rechts von unserer Hautür gehen, waren 2 Gast-stätte. Bischen weiter war der Konsum und danach ein Laden, wo nur gebügelt wurde. Wie oft stand ich davor und schaute den jungen Fraülein zu, wie fleißig sie bügelten. Sie merkten garnicht das ich da war weil sie nie ihren Kopf erhöhten. Da war man am Karlsplatz wo eine große Bibliothek stand. Daneben war der Riemberghof. Ein Duechgang zum Blücherplatz wo jeden Tag Markt gehalten wurde. Ein paar Schritte weiter und man war am Ring, das Herz der Stadt. Gegenüber von uns war alles Fabrik und Büro, zum Stadtgraben herrauf und zum Karlsplatz herrunter. Kurz vor dem Stadtgraben war eine Räucherei im Hinterhof. Ich steckte meine Nase in alles. Als die Brüder ihre Lehre überstanden, wurden sie einer nach dem anderen eingezogen. Mutter weinte jedesmal bitterlich. Sie nähte für eine private Firma Schwenkner. Die hatten einen großen Hund. Jeder durfte die Wohnung betreten aber wehe wenn man nur auf die Tür schaute um zu gehen. Der Hund hätte den jenigen zerrißen. Auch sogar mich obwohl ich mich mit ihm befreundet hatte und mit ihm fast täglich spaßieren ging. Er hieß "Arkow".
Rechts vom Karlsplatz lief man auf der Graupenstr.
Nur 5 Minuten und man war auf dem Schloßplatz mit dem Schloß und riesen Paradeplatz. Nach der Schule besuchte ich es öfters. Man bezahlte ein paar Pfennige und durfte durch das ganze Schloß wandern, es fazinierte mich, all diese alte Kleidung, Schmuck und Musikinstrumente. Die Schule fing um 8Uhr morgens an und öfters hatten wir nur kurz Unterricht. Ich verließ unser Haus schon um 7:30 da konnte ich das beten der Nonnen von draußen hören. Die Tür stand offen und ich kehrte ein, sezte mich auf eine Bank und lernte ihr Gebet "Mary, Mutter unseres Gottes, vergieb uns unsere Sünden" usw. Erst als ich die Schulglocke laüten horte rann ich los. Wenn ich Zeit hatte fütterte ich die Enten und Karpfen im Stadtgraben. Anfang November wurde der vom Wasser gelert und die großen Fische wurden gefangen. die Kleinen wurden wieder loß gelassen und der Graben wurde mit frischen Wasser gefüllt. Kurz danach frohr er zu als es kälter wurde. Am Rande des graben wurden bunte Leuchtbirnen aufgehangen und jeder der lust hatte konnte dann Schlittschuh laufen. Ich hatte meine fast jeden Tag über meine Schultern hängen auf dem Schulweg zu und mit den Schulfreunden verlebten wir wunderschöne Zeiten. Als die Weihnachtszeit näher rückte und die ersten großen Schneeflocken vom Himmel vielen, war es für mich die schönste Zeit des Jahres. Wir bauten Schnee.
Mämmer und eine Schneeballschlacht war täglich auf dem Plan. Schorsch, der Jüngste Bruder und ich waren fast immer zusammen. Wir liefen weite Strecken um unsere Verwandten zu besuchen, es machte uns Spaß und öfters bekamen wir einen Groschen geschnekt für die Straßenbahn, aber wir liefen wieder nach-hause und kauften uns ein Stck. Kuchen für's Geld. Bald verließ er auch die Schule und ging in Lehre Pelzmäntel zu nähen. Ich vermißte ihn sehr an meiner Seite. Von nun an mußte ich meinen Weg allein' gehen.
Mämmer und eine Schneeballschlacht war täglich auf dem Plan. Schorsch, der Jüngste Bruder und ich waren fast immer zusammen. Wir liefen weite Strecken um unsere Verwandten zu besuchen, es machte uns Spaß und öfters bekamen wir einen Groschen geschnekt für die Straßenbahn, aber wir liefen wieder nach-hause und kauften uns ein Stck. Kuchen für's Geld. Bald verließ er auch die Schule und ging in Lehre Pelzmäntel zu nähen. Ich vermißte ihn sehr an meiner Seite. Von nun an mußte ich meinen Weg allein' gehen.
Heinz bei der Artilleri in Rumänien, wo er von einer Schlange gebissen wurde. Günter schwamm wie ein Fisch und versprach sich nur als Matrose mit zu machen. Dazu muste er sich freiwillig melden, sobald er seine Lehre als Maler überstanden hatte. Muttel bettelte ihn nicht von uns zu gehen aber als 18 jährieger war er auf dem Schiff "Köln".
In 1943 überstand auch Schorsch seine Überprü
Fung und wurde sofort eingezogen. Er verbrachte kurze Zeit in den Baracken in Breslau. Kam der Tag an dem er und seine Kameraden irgendwo an die Front geschickt wurden, durften wir ihn noch
Einmal kurz besuchen. Am späten Nachmittag verabschiedeten sich Muttel und die jüngeren Schwestern aber ich durfte etwas länger bleiben.
So ungefär gegen 18:00 Uhr hieß es antreten und zum Freiburger Bahnhof maschieren. Alle Jungen waren lustig und sangen Lieder. Keinder ahnte, wohin es geht. Ich sang mit und marschierte an meiner Bruders Seite, im gleichen Schritt und Tritt!
Am Bahnhof stand schon der lange Güterzug und alle wurden sofort aufgeladen. Wir lachten und scherzten noch. Es wurde immer später und der Zug fuhr nicht weg. Schorsch sagte, ich sollte nachhause gehen denn Muttel würde sich um mich Sorgen machen. Wir riefen zu einander Auf Wieder se'n, mach's gut und kommt alle wieder gut nachhause. Der Zug fuhr nach Frankreich. Schorsch sein krieg war sehr kurz. Er wurde von den Schotten gefangen genommen und verbrachte ein paar Jahre als Kriegsgefangener in Schottland.
Es war in 1943 als das Schiff "Köln" zerschossen wurde und die Überlebenden wurden nach Polen geschickt, die Russen auf zu halten. Günter wurde verwundet und nach Russland für 6 Jahre verschleppt. Wir wusten das alles natürlich erst, als er in 1949 aus der Gefangenschafft entlassen wurde. Wir hatten in 1945 unsere Heimat verloren.
Schlesien muste mit allem für den Krieg bezahlen.
Am 21.Januar 45 bei minus 25grad Kälte verließen wir unsere Heimat als Staatlose Flüchtlinge und am 8.Mai bekamen wir wieder ein Dach über unseren Kopf, bis dahin bettelten wir Essen, übernachteten in Scheunen,Kirchen, Kuhställen oder im Feld unter den Sternen. Mein herz gehört immernoch dahin, wo einst meine Wiege stand vor so langer Zeit.
Damals war ich gerade 17 Jahre alt, am 4.September werde ich 75 Jahre alt. Wir haben alles verloren aber meine erinnerungen an Zuhause kann mir niemand wegnehmen.
Damals war ich gerade 17 Jahre alt, am 4.September werde ich 75 Jahre alt. Wir haben alles verloren aber meine erinnerungen an Zuhause kann mir niemand wegnehmen.
Noch heut' höre ich Fräulein Schulz als erstes unsere Namen ausrufen, Bernard, Bittner, Bucholz, Dresler, Fest, George, Gdofzog und ich war
Rita Gottschlich, wer ausser mir lebt noch und erinnert sich an diese Zeit?
Auf der Richthofen Straße 94 befreundete ich mich mit der Elizabeth Hildebrand. Sie wohnte mit ihren Eltern und Bruder Rudi im dritten Stock. Es wäre schön von der Einen oder Anderen zu hören.
Schlesierleute, wo auch immer ihr heute seid,
Ich grüße euch aus weiter Ferne!